Kritik an Amazon wirklich heuchlerisch?

Tobias Bauer, , Lesedauer 4 Minuten.

In der vergangenen Woche ist bekannt geworden, dass Amazon täglich in großen Umfang Retouren vernichtet und zerstört. Daraufhin gab es einen Kommentar von Catherine Hoffmann auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung, dass die Kritik daran heuchlerisch seie. Kurz zusammengefasst trägt jeder, der Ware zurücksende selbst mit Schuld daran und Händler müssten (endlich) Geld für Retouren verlangen. Ich persönlich bin hier nicht der Meinung von Frau Hoffmann.

Sicherlich hat Sie mit Ihren Ausführungen Recht, dass wir Deutschen Weltmeister im Zurücksenden sind. Auch ist die Aussage korrekt, dass hier die die Händler eine gewisse Selbstschuld tragen, wenn man betrachtet, wie diese die Retouren angepriesen haben. Allerdings muss man das Ganze auch etwas differenzierter betrachten und kann das nicht so verallgemeinern.

Trotz einheitlicher Größentabellen (z. B. Hohenstein) und den besten Beschreibungen auf den Webseiten ist in Realität leider so, dass jedes Kleidungsstück einen anderen Sitz praktisch eine andere Größe hat. Selbst die gleiche Größe kann aufgrund verschiedener Materialien und Schnitte beim gleichen Hersteller verschiedene Passformen haben. Im örtlichen POS kann ich die verschiedenen Kleidungsstücke durchprobieren. Das geht beim Onlineshop nur durch eine Auswahlsendung und natürlich gehe ich davon aus, dass die zurückgesendete Ware dann wieder weiterverkauft wird. Im POS landet die Kleidung auch nicht im Schredder, wenn ich diese von der Umkleidung zurück an den Kleidungsständer hänge. Verschärfend kommt jetzt natürlich noch hinzu, dass vor allem im ländlichen Gebieten gar nicht die Auswahl an örtlichen Händlern wie z. B. in München existieren. Auch sind dort Spezialgeschäfte gar nicht vorhanden (z. B. für große Größe etc.). Hier bleibt mir dann nur der Weg zu einem Online-Händler - mit allen Konsequenzen.

Neu „Mainstream“ Ware bekomme ich hier sicherlich auch im Laden um die Ecke. Auch gibt es, vor allem zum Erscheinungstermin, Angebotspreise, welche sich sicherlich nicht hinter denen von Amazon verstecken müssen. Das heißt, hier bin ich nicht auf Amazon angewiesen. Spätestens jedoch dann wenn ich etwas Besonderes möchte oder eben nicht das Aktuelle haben möchte, bin ich beim Supermarkt oder Elektronikfachmarkt an der falschen Adresse. Den CD- oder Video-Fachladen gibt es schon lange nicht mehr - zumindest auf dem Land. Auch dann bleibt mir nur der Onlinehandel. Natürlich stellt sich dann die Frage, ob ich hier retournieren muss. Vermutlich nur im Falle eines Transportschadens. Ob die Ware dann vernichtet werden muss, das ist dann eine Frage der Wirtschaftlichkeit.

Was ich in rauen Mengen bei Amazon bekomme ist Elektronik in jeder Form. Eine Auswahl wie dort habe ich nirgends und mir kann niemand erzählen, dass ich bei einem lokalen Händler die gleiche Anzahl an Produkten finde. Sicherlich auch einer der Gründe warum es oft auch gar keinen lokalen Händler mehr gibt oder aber man viele dieser Produkte nur noch online zu haben sind. Wenn die Produkte jedoch nicht den Spezifikationen entsprechen dann kann ich diese nicht verwenden und gehen zurück. Dann muss hier Amazon aber auch entsprechend reagieren. Allerdings ist das dann vermutlich in diesem Fall wirklich meistens Elektroschrott.

Ich bin nun mal meine Retouren bei Amazon der letzten 12 Monate durchgegangen. Das waren zwar einige, aber das hätte ich auch bei einem lokalen POS bemängelt.

  • Passform bei Kleidung (ich kaufe aber nicht viel Kleidung; nur zwei Bestellungen)
  • technischer Defekt (acht Bestellungen)
  • falsche Beschreibung/Angaben der Artikel (zehn Bestellungen)
  • keine Rechnung (vier Bestellungen)

Ein technischer Defekt ist klar und hier hätte ich das Gerät auch zum Händler hin gebraucht. Was leider häufig der Fall ist und was bei zehn Bestellungen zu einer Rücksendung geführt hat, ist eine fehlerhafte oder falsche Beschreibung. Wenn ich einen Artikel nicht sehen kann, dann muss ich mich auf die Spezifikationen verlassen. Sind diese nicht korrekt, dann führt das natürlich zu Reklamationen und damit zu Rücksendungen und Kosten.
Vier Bestellungen gingen zurück, weil mir die Händler keine Rechnungen ausstellen konnten/wollten. Das ist ein Phänomen, welches leider bei Amazon häufig der Fall ist. Die Steuerfahndung geht immer wieder gegen Händler vor, allerdings tut hier Amazon viel zu wenig. In diesen Fällen waren die Händler ganz dreist und das hat zu einer Rücksendung von meiner Seite geführt.

Als Kunde erwarte ich eigentlich, dass zurückgesendete Artikel in den regulären Warenfluss zurückgehen. Ausnahmen sollte es eigentlich nur geben, wenn diese defekt sind, oder aber wenn der Händler in potenziell kriminelle Machenschaften verstrickt ist. Gut, auf der anderen Seite war Amazon noch nie für seine Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit bekannt. Trotzdem gehe ich als Kunde nicht von diesem Verhalten aus. Auch hat Amazon ja extra sein Warehouse geschaffen. Auch die „Frustfreien“ Verpackungen erlauben es ja, retournierte Ware erneut zu versenden. Bei Kleidung geht es ja fast nicht ohne Auswahlsendung da hier soviel Faktoren mitspielen.

Das Ganze jetzt heuchlerisch zu nennen finde ich falsch. Es gibt genügend Faktoren die es einfach notwendig machen, bestellte Waren zurückzusenden. Auch ist es manchmal einfach notwendig eine Bestellung von vornherein als Auswahlsendung zu konzipieren. Allein bei Kleidung geht es schon fast gar nicht anders. Den Kunden dann hier auch noch die Kosten dazu tragen zu lassen ist der falsche Weg. Für Sendungen bis zu einem Warenwert von 40,00 Euro muss er diese eh schon tragen, außer er kann ein grobes Verschulden das Händlers nachweisen.

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